Herr der Dinge
von Caroline Heinecke
Von 2019 bis 2021 habe ich intensiven Kontakt zu sammelnden Menschen
gesucht und deren kuriose Sammlungen fotografiert. Solche, deren
Motiv auf den ersten Blick womöglich etwas skurril oder entrückt
erscheint. Dabei konzentrierte ich mich bewusst auf die gesammelten
Objekte, denn sieht man durch des Sammlers Augen, mit seiner
Unschuld auf die Bilder, wird das soeben noch als unsinnig, seltsam,
wertlos, gar eklig oder närrisch Erklärte, plötzlich klar, vertraut,
schön und faszinierend. Die Beweggründe und Geschichten hinter der
Sammlung haben mich angetrieben diese Arbeit zu fotografieren.
Angetrieben von einem Haarfetisch, sammelt Regine von Chossy aus
München zum Beispiel Haare, und stellt diese in Ihrem eigenen
Haarmuseum mit datierten und signierten Haarspenden aus. Der
Fotograf Karl-Ludwig Lange sammelt Ziegelsteine, weil ihm die
Stempel darauf Aufschluss über die Ortsgeschichte seiner Umgebung
geben und die Präparatorin Navena Widulin aus Berlin sammelt
Gallensteine und setzt damit eine Tradition des Berliner
Medizinhistorischen Museums der Charite fort.
Das Sammeln ist so alt wie die Menschheit selbst, sie würde nicht
überlebt haben, ohne zu sammeln. Schon immer wurden Gegenstände
selektiert und angehäuft, sei es zum Gebrauch oder zur reinen
Betrachtung, und schon immer wurden Informationen gesammelt, zum
Austausch und als Grundlage für bevorstehende Entscheidungen. Doch
gerade in einem Zeitalter, in dem Informationen zusammengetragen
werden, um Kapital zu mehren, möchte ich mich in einer Abkehr zu
diesem Trend denjenigen Sammlungen zuwenden, die das vermeintlich
Unnütze darstellen wollen. Der Rätselhaftigkeit seiner Intention
geschuldet, wird der Sammler dabei ebenso zum Objekt wie seine
Schätze, Objekt unserer Wahrnehmung, unserer Verwunderung. Es
scheint, als ob die Gegenstände der Sammlung unter dem Blick ihres
Herren selbst zusammengefunden hätten, als wären sie die Subjekte.
Man könnte meinen, sie, die kranken, nicht zum Feuermachen
geeigneten Streichhölzer hätten selbst an das Mitgefühl des Sammlers
appelliert oder aber die Gallensteine hätten willentlich so
gefunkelt und gestrahlt, um jene uralte wesenhafte Passion des
Menschen im Geiste aufflammen zu lassen: das Besitzenwollen, mehr
noch, das Sammeln.